Zur Leipziger Buchmesse 2017 fragte Stern.de vier unabhängige Verlage – Topalian & Milani, CulturBooks, Weidle und den homunculus verlag –, »wie sie sich die Zukunft des Buchmarktes vorstellen.« Von den gegebenen Antworten konnten im fertigen Artikel nur Auszüge verwendet werden. Hier liest man nun das ganze Interview mit uns.
Die Fragen stellte Jonathan Sendker, die homunculus-Verleger Laura Jacobi, Sebastian Frenzel und Philip Krömer antworteten.
STERN Erzählen Sie mir kurz in eigenen Worten von der Verlagsgründung und Ihrer jungen Geschichte.
SEBASTIAN FRENZEL Gründen war gar nicht so schwer: eine halbe Stunde im Rathaus. Man fühlte sich danach nicht anders. Der Respekt vor dem ersten Veröffentlichungstermin war dann trotz zweijähriger Vorbereitungszeit groß. Umso schöner die ersten Vorbestellungen und ein gelungener Einstand zum Weihnachtsgeschäft 2015. Seitdem ist viel passiert: Die Leipziger Buchmesse 2016 vernetzte uns mit den Kollegen. Und ein halbes Jahr später gab es die erste Auszeichnung mit dem Kulturpreis Literatur der IHK Mittelfranken. Aktuell steht eine Kampagne mit mehreren Aktionen zur individuellen Bedeutung des Lesens an, in Kooperation mit der Stiftung Lesen. Und dieses Jahr wird noch einiges mehr zu bieten haben.
STERN Damit zusammenhängend: Was war Ihre Motivation dafür, dieses Projekt anzugehen? Wo sehen Sie Ihr Profil, welche Sorte(n) Bücher wollen Sie publizieren? Was ist Ihr Anspruch?
SEBASTIAN FRENZEL Wir machen Skurriles und Ausgefallenes, inhaltlich wie äußerlich. Wir machen Formexperimente wie ein Buch in Form einer Tischdecke. Es darf spielerisch sein, muss aber höchsten literarischen Anforderungen genügen. Damit bedienen wir Ansprüche ans Besondere und Individuelle.
STERN Worauf kommt es Ihrer Meinung nach als Verleger an, um erfolgreich zu sein? Wo sehen Sie sich in einigen Jahren?
PHILIP KRÖMER Präsenz, Beziehungen, Timing, Werbung und natürlich gute Texte und ein glückliches Händchen bei der Programmgestaltung – die Faktoren sind zahlreich und den einen, zuverlässig aufgehenden Schlachtplan gibt es nicht. Der Blick in die Zukunft zeigt einen homunculus verlag, der ein fester Bestandteil der Literaturszene wurde, der das unabhängige Publizieren nicht nur betreibt, sondern sich auch für dessen Erhaltung einsetzt, und dessen Namen Leser und Buchhändler sofort mit Qualität verbinden.
STERN Wie arbeiten Sie als Verlegerkollektiv zusammen, wie teilen Sie sich die Arbeit auf, konzentrieren Sie sich auf unterschiedliche Bereiche? Gibt es manchmal Konflikte/Reibereien bei ihrer Zusammenarbeit?
LAURA JACOBI Zunächst einmal fällen wir Entscheidungen recht radikal: wenn auch nur einer gegen ein Projekt ist, wird es nicht gemacht. Klingt kompliziert, ist es aber gar nicht, da wir alle vier ein sehr ähnliches Verständnis von Literatur haben. Da wir schon lange Jahre befreundet sind, nehmen wir voreinander kein Blatt vor den Mund – so kann es natürlich zu Diskussionen kommen, die aber zielsicher zur besten Lösung führen.
STERN Wie präsent ist die unabhängige Verlagsszene im öffentlichen Bewusstsein – und auf der Leipziger Buchmesse? Bewegen sich die kleineren unabhängigen Verleger in einer bundesweiten »Blase« von Literaturbegeisterten?
LAURA JACOBI Auf der Leipziger Buchmesse präsentiert sich die unabhängige Szene besonders stark und zeigt gemeinsam ihre Vielfältigkeit. Wenn es eine »Blase« von Literaturbegeisterten gibt – wäre das so schlimm? Wir arbeiten jedenfalls mit Erfolg daran, dass sie stetig wächst.
STERN Damit zusammenhängend: Wie viel Fokus legen Sie auf Ihre »Non-Book« Produkte, wie die Tischdecke oder das Kartenspiel? Wie entstand die (in meinen Augen sehr vergnügliche) Idee zum Literarischen Trumpfkartenspiel?
LAURA JACOBI Die Idee zu unserem Kartenspiel entstand schlichtweg aus der Tatsache, dass wir alle vier Spielkinder sind. Die Arbeit daran hat Spaß gemacht: Wir haben stets optimierte Prototypen immer und immer wieder gespielt, bis die 30 literarischen Monster, die dort gegeneinander antreten, perfekt ausbalanciert waren. Die Biertischdecke wiederum entstand aus der Überzeugung, dass Literatur nicht an die Buchform gebunden ist und dass die Form ihre eigene Botschaft trägt. Und natürlich aus der Liebe zum Bier.
STERN Was ist die Geschichte und das Konzept hinter Ihrer Zeitschrift Seitenstechen?
PHILIP KRÖMER Das Konzept ist eine diachrone Textzusammenstellung: Belletristische Texte aller Epochen, Klassiker und Modernes, Lyrik und Prosa, vereint zu einem jede Ausgabe wechselnden Thema (#1 Seefahren macht besser, #2 Dunkle Energie, #3 in Vorbereitung). Gegründet wurde die Zeitschrift während einer Zigarettenpause auf dem Balkon, heute ist sie ein Aushängeschild des Verlags und ein Herzensprojekt ihrer Herausgeber.
STERN Wie wichtig ist Ihnen die Physis, die Haptik und das Gestalterische beim »Büchermachen«, und wie stehen Sie als Verlag dazu? Könnten Sie sich vorstellen, E-Books herauszubringen?
SEBASTIAN FRENZEL Unsere Bücher werden als großes Ganzes konzipiert, das bedeutet: Physis und Gestaltung des Buches sind eng mit dem Inhalt verknüpft. Sie geben nicht nur den Inhalt wieder, sondern reflektieren den Text und fügen ihm neue Sinnebenen hinzu.
STERN Wozu braucht es unabhängige Verlage, und wie sehen Sie den Zustand des deutschen Buchmarktes und der dominierenden größeren Verlage? Haben Sie Kritikpunkte?
PHILIP KRÖMER Wer überrascht werden will, der sieht sich keinen Hollywood-Blockbuster an. Das Gleiche gilt in der Literatur. Großverlage haben andere Möglichkeiten, unterliegen aber auch anderen Zwängen, Experimente kann sich dort kaum einer leisten. Kritikpunkte habe ich keine. Der deutschsprachige Buchmarkt ist einer der vielfältigsten der Welt, aber bunter darf er natürlich immer werden. Die Indies tragen einen großen Teil dazu bei.
Wir bedanken uns herzlich für das Interview.